Rezensionen




Rezension von Sonja Kienzl :

Sebastian Kurz Die Biografie. Gebunden.

Paul Ronzheimer, Chefreporter im Politikressort der Tageszeitung „BILD“, versucht das Phänomen Sebastian Kurz für eine breite Leserschaft greifbar zu machen. Sichtlich bemüht zu differenzieren, schildert der Autor den Werdegang des österreichischen Bundeskanzlers von dessen Vorsprechen bei der ÖVP-Jugend, der Berufung zum Staatssekretär, über seine Zeit als Außenminister bis zu seiner Wahl zum Kanzler der Alpenrepublik. Schon früh wusste der ehrgeizige Kurz, welche Bilder produziert werden müssen, um ihm und seinen Anliegen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Relativ rasch festigt sich in der Öffentlichkeit nach ersten Erfolgen in der Wiener Verkehrspolitik das negative Image des „Profilierungsneurotikers“, der mit seinen plakativen Wahlkampagnen ins Fettnäpfchen tritt. Der kluge Stratege Kurz lernt schnell, dass in Zeiten der multimedialen Aufmerksamkeit ein falscher Schritt zum vorzeitigen Aus einer aufstrebenden Karriere führen kann. Die politische Landschaft ist im Wandel begriffen, Marken etablieren sich unabhängig von ihrer Partei. Sebastian Kurz reizte das Außenamt als Steigbügel zur Kanzlerschaft, weil er wusste, dass Innenpolitik für mehr Kontroversen in der Bevölkerung sorgt. Sein Vorbild war schon früh SPÖ-Außenminister Bruno Kreisky. Die Flüchtlingsfrage wird zum entscheidenden Faktor auf dem Weg zum Kanzleramt. Weil sich die Politiker nicht um die Probleme vor Ort gekümmert haben, sind die Probleme nach Europa gekommen. Kurz war einer der Ersten, der vor einem Massenexodus und den damit verbundenen Konsequenzen warnte. Taktisch geschickt gelingt es Kurz, selbst im engeren Umfeld der deutschen Kanzlerin Verbündete für seinen Plan der Grenzschließungen zu finden und die öffentliche Position von Angela Merkels Willkommenspolitik zu unterlaufen. Kurz schafft es, sich selbst als den Mann zu präsentieren, der die Balkan-Route geschlossen hat. Paul Ronzheimer, der als Reporter Flüchtlinge begleitet und über die Zustände in den sogenannten Auffanglagern berichtet hat, flicht in seine Schilderung von Kurz‘ Werdegang immer wieder Bedenken ein, ob es mit den humanitären Prinzipien vereinbar sei, auf die Wirkung abschreckender Bilder zu setzen und bedingungslose Härte zu zeigen. Kurz, der Klartext-Politiker, zeigt bei den Bundespräsidentschaftswahlen Pragmatismus, weil er es sich nicht mit einem möglichen Koalitionspartner verderben will. Die sensationellen Umfragewerte des Volkstribunen stehen stellvertretend für eine neue Generation von Politikern, die ihre Ziele mit Hartnäckigkeit verfolgen, dabei jedoch ein feines Gespür für die Stimme des Volkes haben. Ob Sebastian Kurz die Hoffnung auf einen echten Wandel erfüllen kann, wird sich zeigen. Bisher hatte die ÖVP beispielsweise keine frauenpolitische Agenda, weil bei den konservativen Parteien Frauenpolitik immer in der Familienpolitik untergeht. Hier könnte Kurz beweisen, dass er wirklich ein Mann der Erneuerung ist und seiner Generation eine gelebte Chancengleichheit ermöglichen.

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