BUCH Details

Die 5 Sprachen der Liebe für Patchwork-Familien
Gary Chapman

Die 5 Sprachen der Liebe für Patchwork-Familien

€ 15,40

Taschenbuch
224 Seiten; 20.5 cm x 13.5 cm
Sprache Deutsch
2020 Francke-Buch; Moody Press, USA
ISBN 978-3-96362-174-1

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Hauptbeschreibung

Auf welchem Weg kann unsere Patchworkfamilie eine gute Gemeinschaft werden, in der sich niemand vor den Kopf gestoßen, benachteiligt oder ausgeschlossen fühlt? Wie kann sie trotz der vielen komplexen und manchmal noch sehr ungewohnten Beziehungen von einem liebevollen Miteinander bestimmt sein?
Gary Chapman, Autor des Weltbestsellers »Die 5 Sprachen der Liebe«, und Ron L. Deal, Experte für Stieffamilien, widmen sich in diesem Buch den besonderen Herausforderungen und Fragen, mit denen neu zusammengeführte Familien sich konfrontiert sehen. Ob Stiefelternteil, wiederverheiratete Mutter, Stiefgroßvater oder Geschwisterkind – jedem Familienmitglied werden praktische Tipps zur Anwendung der Liebessprachen mitgegeben und Möglichkeiten aufgezeigt, sich in der neuen Konstellation zurechtzufinden.

Erstes Kapitel

1. Die Mischung macht’s

Wir wollen nicht anmaßend wirken, aber wir haben eine Vermutung, warum Sie dieses Buch gekauft haben. Sie wollen eine »gute Mischung«. Und dabei reden wir nicht von Kaffee oder Smoothies. Ihr Zuhause soll allen, die dort leben, eine gesunde Umgebung bieten, eine gute Mischung aus Nähe, Autonomie und Beständigkeit, in dem Wissen, dass alle füreinander da sind; eine gute Mischung aus Glück und Freude, Vertrauen und emotionaler Sicherheit; eine gute Mischung aus Grenzen setzen, einander fördern und gesunde Maßstäbe vermitteln, die den Kindern Respekt und Anstand beibringen. Die Kinder sollen zu reifen und verantwortungsbewussten Erwachsenen werden, die ihren Beitrag für die Welt leisten und sich um andere Menschen kümmern. Kurz gesagt: Es geht darum, gut zusammenzufinden und einander gut zu lieben. Eine liebevolle Patchworkfamilie zu bilden, ist der Grund, warum Sie beide eine feste Beziehung miteinander begonnen haben (oder es zumindest in Erwägung ziehen) und warum Sie dieses Buch gekauft haben. Liegen wir mit dieser Vermutung richtig – oder sind wir zumindest dicht dran?
»Wir fallen immer wieder in ein Loch«

Die richtige Mischung und ein gutes Miteinander, das wünschte sich Kate auch.
Kate hat drei eigene Kinder und zwei Stiefkinder. Sie und ihr Mann Chris waren seit drei Jahren verheiratet, als sie um Hilfe bat. »Wir haben schon Fortschritte gemacht«, sagte sie, »aber wir fallen trotzdem immer wieder in ein Loch.«
Ihre drei Kinder – ein Junge von sechzehn Jahren, eine dreizehnjährige und eine neunjährige Tochter – lebten ständig bei ihnen, während die zwei Töchter von Chris, siebzehn und acht Jahre alt, jedes zweite Wochenende bei ihrer Mutter verbrachten.
»Meine dreizehnjährige Tochter Kayla ist ein bisschen aufmüpfig«, erklärte Kate. »Ich versuche sie in Schach zu halten, aber sie meckert und motzt viel herum. Ich habe gelernt damit umzugehen und mich ihr gegenüber durchzusetzen, aber mein Mann fühlt sich respektlos behandelt und meint, es dürfe keine Widerrede geben und sie müsse jedes Mal bestraft werden. Das ist schon seit Längerem ein Problem und im Moment scheint es immer wieder aufzutauchen, selbst wenn es eigentlich gar nicht um Kayla geht. Wenn eines seiner Kinder sich danebenbenimmt und ich etwas sage, dann verteidigt er es und meint: ›Warum hackst du auf meinen Kindern herum und nicht auf deinen?‹«
Das Leben in einer Patchworkfamilie kann sehr anstrengend sein, weil es viele ineinandergreifende Dynamiken wie diese gibt.
Wir glauben, dass die kluge Anwendung der fünf Liebessprachen und ein gutes Verständnis dessen, was eine gesunde Patchworkfamilie ausmacht, dabei helfen können, Probleme dieser Art zu überwinden.
Kates Geschichte zeigt ein paar typische Dilemmas, in denen sich Familien befinden, die nicht so gut zueinander gefunden haben: eine Ehe, die durch die elterliche Uneinigkeit allmählich zersetzt wird; relativ harmlose Meinungsverschiedenheiten, die sich rasch zum Gefühl eines absichtlichen Vertrauensverrats auswachsen können; leibliche Eltern, die den Eindruck haben, zwischen allen Stühlen zu sitzen; Loyalitätskonflikte bei den Kindern und die Geschichte eines Verlustes durch eine Trennung oder einen Todesfall, die immer im Hintergrund lauert und droht, die Kontrolle über die neuen familiären Beziehungen zu übernehmen.
Chris fühlt sich nicht respektiert und befürchtet wahrscheinlich, dass die Situation sich mit zunehmendem Alter der Stieftochter verschlimmern wird. Kate ist frustriert und verzweifelt, denn sie ist hin- und hergerissen zwischen zwei Personen, die sie liebt und die ihr äußerst wichtig sind. Sie hat versucht, eine Win-win-Lösung zu finden, aber egal was sie tut, immer scheint jemand unglücklich und wütend auf sie zu sein. Kayla ist streitsüchtig (ein nervenaufreibendes Verhalten, das Eltern nicht gern bei ihrem Kind sehen wollen), aber Kate macht sich vor allem Sorgen, dass der familiäre Konflikt bei ihrer Tochter das Gefühl hervorruft, ständig von ihrem Stiefvater ins Visier genommen, kritisiert und abgelehnt zu werden (was sich negativ auf ihr sich entwickelndes Selbstwertgefühl auswirkt). Sowohl Kate als auch Chris sind am Ende unglücklich in ihrer Ehe. Jeder würde die Geschichte zwar ein bisschen anders erzählen, aber alle Familienmitglieder wären sich darin einig, dass sie sich nicht geborgen und geliebt fühlen. Wenn sich das alles in diesem Tempo weiterentwickelt, wird die Familie am Ende keine gute Mischung mehr abgeben.


Warum »Liebe« in einer Patchworkfamilie
so kompliziert ist

Aber warum passiert das alles? Sie lieben einander doch, oder etwa nicht? Nun ja, eigentlich schon … aber auf unterschiedliche Weise. Genau das ist nämlich ein Teil des Problems. In Patchworkfamilien gibt es manchmal bei Kindern und Erwachsenen unterschiedliche Auffassungen von Liebe und auch die Motivation, die Liebe zu vertiefen, kann sehr verschieden ausgeprägt sein.
Zunächst wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie unterschiedliche Auffassungen von Liebe das Miteinander in einer Patchworkfamilie kompliziert machen können. Eine Möglichkeit, die Liebe zu definieren, ist es, das genauer zu betrachten, was wir Liebesassoziationen nennen. Dabei geht es darum, welche Beziehungseigenschaften oder welches Verhalten wir mit Liebe in Verbindung bringen. Es kann sein, dass ein Stiefkind seinen Stiefvater oder seine Stiefmutter zwar liebt, ihnen aber dennoch nicht denselben Respekt entgegenbringt wie den leiblichen Eltern. Ein Stiefvater oder eine Stiefmutter mag vielleicht alle Kinder gleich lieben, es aber trotzdem noch seltsam finden, das Stiefkind zu umarmen. Ein Mann oder eine Frau liebt zwar den neuen Ehepartner, möchte dessen Namen aber dennoch nicht in die Lebensversicherungspolice aufnehmen lassen, die er oder sie gerade zugunsten der Kinder abgeschlossen hat. Stiefgeschwister mögen sich gut verstehen und einander als Familienmitglieder betrachten und trotzdem wollen sie nicht, dass der jeweils andere auf dem jährlichen Weihnachtsfamilienfoto mit der Oma auftaucht. Und Großeltern, die alle Enkelkinder gleich lieben, sind vielleicht trotzdem lieber dann als Babysitter im Einsatz, wenn es ihre leiblichen Enkel betrifft.
Daran lässt sich erkennen: Die Assoziationen, die wir mit Liebe in Verbindung bringen, helfen uns, Liebe zu definieren, und sie legen fest, wie die Liebe in einer Familie zum Ausdruck kommt und ob jemand sich geliebt fühlt oder nicht.
Die Konflikte beginnen, wenn die Auffassungen von Liebe zwischen Eltern und Kindern miteinander kollidieren, so zum Beispiel bei Kate, die darüber frustriert ist, dass ihre Tochter ihren Stiefvater nicht »in ihr Herz lässt« und dass dieser Kayla »aus seinem Herzen ausgeschlossen« hat.
Stiefkinder haben meist ein grundlegendes Maß an Respekt für ihre Stiefeltern (ähnlich wie sie es gegenüber ihren Lehrern in der Schule haben). Probleme entstehen, sobald ein Elternteil oder Stiefelternteil mehr als das verlangt. Die Auffassungen von Liebe kollidieren auch dann, wenn ein leiblicher Elternteil es dem Ehepartner übel nimmt, dass er oder sie die Stiefkinder nicht ebenso herzlich umarmt wie die eigenen Kinder, oder wenn ein Stiefelternteil einem Stiefkind die Liebe entzieht, weil dieses die Stiefgeschwister vom Familienfoto ausschließen will. Welche Konflikte hier bereits im ersten Jahr des Zusammenlebens als Patchworkfamilie auftreten können, ist für viele frisch Verheiratete einigermaßen schockierend. Vorher haben sie erlebt, wie ihre Kinder sich auf die Hochzeit und die neue Familie gefreut haben. Doch kaum sind die Flitterwochen vorüber, haben sie den Eindruck, dass die Kinder längst nicht mehr so motiviert sind. Manchmal hat das Paar vielleicht nur das gesehen, was es sehen wollte (die Zustimmung der Kinder zu ihrer Heirat), doch in vielen Fällen ist die Vorfreude der Kinder echt gewesen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ihre Definition vom »Zusammenwachsen zu einer liebevollen Familie« mit der ihrer Eltern übereinstimmt. Sobald der Alltag wieder eingekehrt ist und alle unter einem Dach leben, werden die unterschiedlichen Auffassungen von Liebe offensichtlich.



»Insider« und »Outsider«
Auch zwischen den leiblich verwandten Familienmitgliedern (die wir als »Insider« bezeichnen) und den neu hinzugekommenen Mitgliedern (»Outsidern«) kann es unterschiedliche Auffassungen von Liebe geben. Weil Kate und Kayla immer zusammengelebt haben, weiß Kate, wann der Sarkasmus ihrer Tochter respektlos wird. Sie versteht die Launen ihrer Tochter und merkt auch, wenn sich hinter ihrem patzigen Ton etwas anderes verbirgt. Solche Dinge sind für Insider klar und – was noch wichtiger ist – sie zweifeln nicht daran, dass sie geliebt werden, selbst wenn sie sich völlig danebenbenommen haben. Chris, der in alldem ein Außenseiter ist, hat eine viel schwächere Position. Er muss es erst noch lernen, die emotionalen Hinweise zu verstehen, die seine Stieftochter ihm gibt. Doch selbst wenn er erkennt, was hinter ihrem äußeren Verhalten steckt, betrachtet er es immer noch als respektlos – und damit wird auch seine Befürchtung verstärkt, dass die Liebe zwischen ihm und seiner Stieftochter sich nicht entwickeln oder weiter reifen kann. Und wenn die Liebe zwischen ihm und Kayla so sehr strapaziert wird, ist ihm bewusst, dass dadurch wahrscheinlich auch andere Beziehungen betroffen sind, wie zum Beispiel die zwischen den Stiefgeschwistern.
Gegensätzliche Auffassungen von Liebe innerhalb einer Familie führen zu Verletzungen, Wut und Protest. Oft stellen die Reaktionen den Versuch dar, die »angreifende« Person in eine andere Richtung zu steuern, damit ihre Art zu lieben eher mit dem übereinstimmt, wie die verletzte Person es sich vorstellt. Doch diese Reaktion führt natürlich in der Regel zu weiterem Widerstand, der sich vielfältig äußert. (An späterer Stelle werden wir Ihnen zeigen, wie man besser reagieren kann.) Die »lieblose« Person wird dadurch beschämt und es wird ihr vermittelt, sie sei nicht gut genug; die verletzte Person wiederum wirkt durch dieses Verhalten egoistisch und unreif. So entstehen weitere Konflikte und Spannungen in der Familie und die emotionale Distanz zwischen den direkt Beteiligten wird immer größer. Wenn sich dann andere Familienmitglieder (zum Beispiel der leibliche Vater oder die Mutter) einmischen, um den mit ihnen verbundenen Insider zu schützen, werden noch weitere Beziehungen in Mitleidenschaft gezogen.


Sie selbst sind motiviert zu lieben, doch die anderen sind noch unentschlossen

Die Mitglieder einer Patchworkfamilie können sehr unterschiedlich sein, was ihre Motivation zu lieben und die Liebe zu vertiefen betrifft. In manchen Konstellationen hat zum Beispiel nur das Ehepaar das Bedürfnis nach einem guten Zusammenleben, während es den Kindern gar nichts ausmacht, wenn es nie dazu kommt. Das gilt vor allem im ersten Jahr bei Patchworkfamilien mit Teenagern. Und es gilt noch viel länger für Familien, die sich erst in einer späteren Lebensphase zusammengefunden haben, wenn nämlich die Stiefkinder bereits erwachsen sind. Häufig haben erwachsene Stiefkinder nicht das Bedürfnis, eine engere Beziehung zu dem Stiefelternteil einzugehen, geschweige denn, diesen zu lieben. Tatsächlich würden sich viele erwachsene Stiefkinder gar nicht als Teil einer Stieffamilie sehen und betrachten den neuen Partner ihrer Mutter oder ihres Vaters entsprechend nicht als ihre Stiefmutter oder ihren Stiefvater. Wir haben schon zahlreiche Gespräche mit Erwachsenen geführt, deren Vater oder Mutter seit Jahren erneut verheiratet war und die nie auf die Idee gekommen wären, den neuen Ehepartner ihres Elternteils anders zu bezeichnen als »Papas Frau« oder »Mamas Mann«. Diese Tatsache ist entmutigend für viele Stiefeltern, die sich eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Stiefkindern wünschen.
Wir werden uns mit diesem Thema später noch eingehender beschäftigen, aber es soll hier zumindest kurz erwähnt werden, dass eine solche Motivationslücke vor allem für Eltern von jüngeren Kindern sehr schwierig ist. Gute Eltern zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich gar keine Gedanken darüber machen, wie sie die Zuneigung ihrer Kinder gewinnen können. Wer ständig der Anerkennung durch seine Kinder hinterherläuft, bringt sich selbst damit in eine schwache Position. Er zögert, wo er eigentlich eine Grenze setzen müsste. Diese Dynamik manövriert Stiefeltern in eine nachteilige Situation, vor allem wenn deutlich wird, dass das Kind nicht annähernd so sehr zur Liebe motiviert ist wie sie selbst.
Noch komplizierter wird all dies durch das unterschwellig vorhandene Gefühl des Verlusts in der Familie. Den Eltern ist es wichtig, dass die Familie gut zusammenwächst, und es ist notwendig für sie, dass die Kinder das auch wichtig finden. Warum? Weil die Eltern für ihre Kinder (egal welchen Alters) gerne das wiederherstellen möchten, was sie durch Tod, Scheidung oder Trennung verloren haben. Sie wünschen sich, dass ihre Kinder wieder Teil einer liebevollen Familie werden, die sie bis weit in die Zukunft hinein versorgt und sich um sie kümmert. Außerdem möchten viele Eltern nicht daran schuld sein, dass ihre Kinder der Realität einer zerbrochenen Familie ausgesetzt sind, selbst wenn sie eigentlich gar nicht die Hauptverantwortung dafür tragen. Eltern wünschen sich von ganzem Herzen und geradezu verzweifelt, dass die Liebe in ihrer Stieffamilie siegt. Und zwar keine oberflächliche Liebe, sondern eine tiefe, hingebungsvolle, vertrauensvolle Liebe, durch die einer sich auf den anderen verlassen kann.
Ja, das wünschen diese Eltern sich – und Sie sich bestimmt auch. Lieben und geliebt werden, das ist es, was unsere Seele heilt und uns Selbstvertrauen schenkt, ein Identitätsgefühl, Leidenschaft, Lebenssinn und die Energie, in die Welt hinauszustürmen. Die Liebe legt uns offen, sie bestätigt uns, wertschätzt uns, vergibt und erlöst uns. Sie schafft für uns eine Verbindung zu dem Einen, der uns zuerst geliebt hat und uns die Kraft gibt, seine Liebe anderen weiterzugeben. Lieben und geliebt werden, das resultiert in einer barmherzigen Gesellschaft, die Grenzen überwindet – gesellschaftliche, ethnische, wirtschaftliche, politische und nationale – und Menschen vereint. Sie baut Brücken der Barmherzigkeit und Gnade, die uns territoriale Spaltungen überqueren lassen – ob politische oder familiäre – und die Herzen der Menschen miteinander verbinden. Natürlich ist es das, was Sie sich wünschen und was Sie brauchen. Allerdings kann es sein, dass Ihre Kinder dieses Bedürfnis nicht in demselben Maße verspüren wie Sie.
Wenn wir die verschiedenen Auffassungen von Liebe und die unterschiedlichen Motivationsgrade zu lieben innerhalb einer Familie betrachten, dann stellt sich die Frage: Wie gelangen wir hier zu einem guten Miteinander? Wie kann eine Patchworkfamilie ein liebevolles Zuhause aufbauen, wenn es so unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie Liebe aussehen sollte, und wenn die einzelnen Mitglieder nicht alle gleichermaßen daran arbeiten? Wenn Sie das Glück haben, dass Ihre Kinder ebenso motiviert sind wie Sie, die gegenseitige Liebe zu vertiefen, dann wird das gute Miteinander selbstverständlich leichter zu erreichen sein. Wenn nicht, dann wird es beträchtlich schwieriger. Wie auch immer die Ausgangslage aussieht – die gute Mischung erreicht man, indem man zu einer klugen Stieffamilie wird.




Sich auf dem Familien-Ozean zurechtfinden

Die Beziehungsstruktur einer Patchworkfamilie ist grundlegend anders als die einer Familie, in der alle blutsverwandt sind. Also ist es sinnvoll, sich erst einmal über das Leben in einer Patchworkfamilie schlauzumachen. Ein wichtiger Unterschied besteht zum Beispiel darin, dass ein Elternteil eine tiefe, biologisch begründete Beziehung zu seinem Kind bzw. seinen Kindern hat, die schon länger besteht als die Ehe des Paares. Das wirkt sich sowohl auf die Rolle des leiblichen Elternteils aus als auch auf die des Stiefvaters oder der Stiefmutter und der Geschwister. Es hat Folgen für das Trauerverhalten der Familienmitglieder, für den Umgang mit Finanzen, das Vertrauen der Ehepartner zueinander und für die mit dem Expartner gemeinsam getragene elterliche Verantwortung.
Deshalb sage ich (Ron) immer wieder, dass Ehepaare in einer Patchworkfamilie in einem ganz anderen Ozean schwimmen als Paare, die das erste Mal verheiratet sind. Die Stieffamilie lebt in einer kühleren Wassertemperatur (die Beziehungen in einer Patchworkfamilie sind meistens weniger herzlich). Die meisten Mitglieder einer Patchworkfamilie haben einen einschneidenden Verlust erlitten, der immer direkt unter der Oberfläche spürbar ist. Außerdem schwimmen in ihrem Gewässer mehr Haie (Expartner, Probleme mit dem gemeinsamen Sorgerecht und die Belastungen durch das Zusammenfinden der neuen Familie, um nur einige zu nennen). Das Wasser ist weniger klar (das Leben in der Stieffamilie ist undurchsichtig: die Rollenverteilung ist unklar, Rituale und Traditionen sind schwammig und die Beziehungen nicht eindeutig definiert). Um sich auf diesem Ozean zurechtzufinden, müssen ein paar Grundregeln bekannt sein und befolgt werden, die Patchworkfamilien zu einem liebevollen Miteinander führen.


Grundregeln für ein liebevolles Miteinander in Patchworkfamilien

Grundregel 1:
Patchworkfamilien werden nicht mit einem Gefühl der Zusammengehörigkeit geboren; dieses entsteht erst auf dem gemeinsamen Weg.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Weg einer Patchworkfamilie darin besteht, eine gemeinsame Identität zu finden.
»Wer sind wir füreinander?« ist die erste Frage, die alle sich stellen.
Eltern versuchen oft, hier eine schnelle Antwort zu geben: »Es gibt kein ›Mein‹ und ›Dein‹ bei uns. Wir sind jetzt alle eine Familie und ihr seid alle ›unsere‹ Kinder.«
Aber was bedeutet das wirklich? Stimmt es bei erwachsenen Kindern genauso wie bei kleinen Kindern? Und eignen sich alle sofort die »Wir«-Sprache an oder haben sie das Gefühl, dass ihnen diese übergestülpt wurde?
Erst muss man die Reise zum »Land des Wir« unternommen haben, bevor man sagen kann: »Das sind wir.« Eine liebevolle Verbindung braucht Förderung, Zustimmung und Wertschätzung durch alle Beteiligten. Am ersten Tag ist eine Patchworkfamilie noch alles andere als eine gelungene Mischung. Sie ist eine Gruppe von Insidern und Outsidern auf der Suche nach einem Gefühl der Zusammengehörigkeit. Und während dieses Ziel verfolgt wird, ist es äußerst wichtig, in dem ganzen Prozess die Geduld zu bewahren.
Grundregel 2:
Geduld ist eine Tugend. Während wir warten, sollen wir großzügig lieben.
Da die Motivation zu lieben zwischen Erwachsenen und Kindern, Insidern und Outsidern, so verschieden ausgeprägt sein kann, ist es wichtig, dass die Familienmitglieder ihre eigenen Erwartungen herunterschrauben. Einfach davon auszugehen – wie so viele Leute es tun –, dass Kinder ihre Stiefgeschwister und ihren Stiefvater oder ihre Stiefmutter einfach nur deshalb lieben, weil die Eltern sich verliebt haben und heiraten wollen, ist ein riesiges Missverständnis. Wenn das tatsächlich eintrifft, dann haben Sie allen Grund zu feiern und können fröhlich die nächsten Schritte tun. Doch in der Regel gibt es in diesem Prozess zumindest eine zeitliche Verzögerung. Keiner kann voraussagen, wann es geschieht und wie tief die Beziehungen werden. Die eigenen Erwartungen etwas zu dämpfen heißt nicht, die Hoffnung ganz aufzugeben, sondern einfach nur, hinsichtlich des Zeitpunkts und des Tempos, mit dem Beziehungen in Ihrer Familie geknüpft werden, realistisch zu sein. Es ist wichtig, in diesem Punkt Geduld zu lernen.
Da eine durchschnittliche Patchworkfamilie fünf bis sieben Jahre braucht, um zueinanderzufinden und eine gemeinsame Identität zu entwickeln, rate ich (Ron) solchen Ehepaaren, die »gute Mischung« in ihrer Familie lieber mithilfe der »Niedriggarmethode« herbeizuführen statt mit einem Mixer. Mixer haben nämlich scharfe Messer! Bei der Niedriggarmethode werden die Zutaten in aller Ruhe über einen längeren Zeitraum miteinander verbunden. Sie bleiben in einem Stück, nachdem sie in den Topf geworfen wurden (ein Augenblick, den wir als Hochzeit bezeichnen), und sie können sich so viel Zeit lassen, wie sie wollen, um weich zu werden und etwas von sich abzugeben. Das ist ein ganz wichtiges Konzept, das entscheidend zum Erfolg Ihres gemeinsamen Weges als Familie beitragen kann. Wenn Eltern Liebe erzwingen wollen, dann verletzen sie die Integrität der »Zutaten«. Sie wollen vielleicht einen Eintopf kochen, aber es ist weder hilfreich noch notwendig, die Karotten oder Kartoffeln zu diesem Zweck zu pürieren. Beim Garen werden die Zutaten nämlich ganz freiwillig das von sich geben, was sie anzubieten haben, und müssen dazu nicht zerfetzt werden. Der Trick besteht darin, das harte, manchmal unerbittliche Äußere der Zutaten (wie zum Beispiel der Karotten) zu respektieren und sie auf sanfte Weise dazu zu bringen, dass sie weicher werden und sich mit den anderen so verbinden, dass im Zusammenspiel etwas entsteht, das jeder genießen kann. Dieses Buch will Ihnen dabei helfen, die richtige Temperatur für Ihren »Kochvorgang« zu erreichen. Mit Weisheit zu lieben, dämpft die Hitze. Allerdings sollten wir uns auch keinen Illusionen hingeben: Selbst wenn wir alles richtig machen, braucht es immer noch viele Stunden, um etwas bei niedriger Temperatur zu garen. Folglich kann es durchaus einige Jahre dauern, in einer Patchworkfamilie tiefe Verbindungen zu schaffen.
Während Sie also darauf warten, dass die Zutaten sich erwärmen und weicher werden, um sich dann miteinander zu verbinden, sollten Sie nicht vergessen, großzügig zu lieben. Das bedeutet nicht, dass Sie sich den anderen wahllos an den Hals werfen oder deren Grenzen überschreiten. (Wir werden in einem späteren Kapitel darüber sprechen, was es heißt, auf das Tempo der anderen »Zutaten« Rücksicht zu nehmen.) Es bedeutet auch nicht, dass Sie sich selbst zu viel zumuten müssen im Umgang mit denen, die Ihnen gegenüber verschlossen bleiben. Jedoch ist damit schon gemeint, dass Sie in Ihrer Liebe großzügig, beharrlich, standhaft und opferbereit sind, auch denen gegenüber, die Ihre Großzügigkeit nicht erwidern. Manche Menschen ziehen sich innerlich an einen sicheren Ort zurück, während sie darauf warten, dass die anderen wärmer werden. Wenn das aber dazu führt, dass wir selbst »erkalten«, dann wird die andere Person sich wahrscheinlich auch nicht erwärmen. Jemand muss immer den ersten Schritt tun. Und weil Sie so motiviert sind, scheinen Sie dafür sehr gut geeignet zu sein.

Grundregel 3:
Eine stabile, liebevolle Ehe ist die erste und wichtigste Motivationsgrundlage für das Zusammenfinden einer Patchworkfamilie. Also fördern Sie Ihre Ehe.
Natürlich wünschen Sie sich eine liebevolle Ehe. Und eine, die Bestand hat. Untersuchungen von Dr. David Olson und mir (Ron) haben ergeben, dass bei der Gestaltung einer stabilen Ehe in einer Patchworkfamilie ganz besondere Faktoren zu berücksichtigen sind. In unserem gemeinsamen Buch The Smart Stepfamily Marriage zeigen wir auf, dass sich Ehepaare in einer Patchworkfamilie zunächst einmal mit denselben internen Fragen beschäftigen müssen wie andere Paare auch, nämlich mit Themen wie Kommunikation, Finanzen und Konfliktbewältigung. Allerdings werden sie zusätzlich noch durch »Haie« überrascht, von denen sie in ihrem Familien-Ozean umkreist werden: Erziehungsprobleme, schwierige Expartner, der Spagat zwischen der Loyalität zu den Kindern und zum neuen Partner – all das kann die Solidarität zwischen den Ehepartnern empfindlich verletzen.
Und als ob das nicht schon genug Belastungsfaktoren wären, kommt noch die Furcht vor einer weiteren gescheiterten Beziehung oder einem Verlust hinzu. Paradoxerweise macht die Furcht das Scheitern sogar noch wahrscheinlicher. Unsere Untersuchung hat aufgedeckt, wie heimtückisch furchtsame Gedanken sein können: Wenn ich mir Sorgen mache, dass du nicht treu zu mir und/oder meinen Kindern stehst, werde ich wachsam, beginne mich zu schützen, misstraue dir und treffe Gegenmaßnahmen. Und sobald ich beginne, mich vor dir zu schützen, kann es kein »Wir« mehr geben.
Wenn wir all dies bedenken, kommen wir zu dem Schluss, dass Paare in Patchworkfamilien mehr innere und äußere Belastungsfaktoren zu bewältigen haben als andere. Wenn Sie lernen möchten, einander richtig zu lieben, dann gehört dazu auch, dass Sie die jeweilige Liebessprache Ihres Partners erlernen und ergründen, mit welchem Schwimmstil man sich in Ihrem spezifischen Familien-Ozean am besten fortbewegt.
Eine liebevolle Ehe kann viel Gutes bewirken, nicht nur für das Ehepaar selbst. Sie hat auch enormen Einfluss darauf, wie motiviert die anderen Familienmitglieder sind, einander zu lieben. So wie die Liebe eines hochmotivierten Menschen die Liebe eines anderen wecken kann, dessen Herz zuvor kalt war, so kann auch Ihre liebevolle Ehe die Mitglieder Ihrer Familie dazu ermutigen, einander irgendwann doch zu lieben. Denken Sie einmal darüber nach. Sie alle wären gar keine Familie, wenn Sie beide sich nicht ineinander verliebt hätten. Und ohne eine stabile, glückliche, dauerhafte eheliche Beziehung verlieren die Kinder und andere Familienangehörige ihre Motivation, füreinander Familie zu sein. Dass Sie beide ein Paar sind, ist der erste und wichtigste Beweggrund dafür, dass alle zusammen eine Familie sind.
Etliche Studien belegen, dass die Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Stieffamilie der Beziehung des Ehepaars ähneln. Wenn ein solches Ehepaar sich scheiden lässt, und sei es nach vielen Jahren, verlieren die Stiefkinder eher den Kontakt zueinander und erwachsene Stiefkinder sehen es viel weniger als ihre Pflicht an, sich um älter werdende Stiefeltern zu kümmern, als es gegenüber ihren leiblichen Eltern der Fall wäre. Die Beständigkeit Ihrer Ehe sorgt dafür, dass die Kinder zumindest für eine grundlegende Verbindung motiviert sind, und wenn es hochkommt, dann betrachten sie einander sogar als eine Familie.
Wir sind übrigens aufgrund einer Untersuchung zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften der Überzeugung, dass verheiratete Paare für ihre Kinder und weitere Familienangehörige das stärkste Statement einer auf Dauer angelegten Beziehung abgeben. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft kann das nicht erreichen. Warum sollten die Kinder oder andere Familienangehörige ihr Herz öffnen und ihren Stiefvater oder ihre Stiefmutter und die Stiefgeschwister liebevoll annehmen, wenn der Stiefelternteil sich eine Hintertür offengelassen hat, um wieder aus der Beziehung zu verschwinden, die sie überhaupt erst alle zusammengeführt hat?
Sowohl Paare als auch Familienangehörige brauchen eine klar definierte Zukunft, damit sie die Motivation für das Miteinander in der Familie bekommen. Ihre Beziehung als Paar macht das alles erst möglich.

Grundregel 4:
Die Eltern in einer Patchworkfamilie müssen ein Team sein, in dem jeder seine besonderen Stärken einbringt.
Elternsein im Ozean einer Stieffamilie hat seine besonderen Herausforderungen, sodass die Eltern sich im Synchronschwimmen üben sollten. In den meisten Patchworkfamilien betrifft das zwei Gruppen: den Eltern- und Stiefelternteil innerhalb der Familie und jeweils den zugehörigen Expartner. Im Grunde genommen sollten sich alle Beteiligten als ein Team betrachten – und sich gegenseitig dementsprechend als Teammitglieder anerkennen. Sie müssen es akzeptieren, dass die anderen dabei sind, auch wenn es ihnen persönlich nicht so recht ist, und um der Kinder willen Wege der Zusammenarbeit finden. Für manche Menschen ist es gar nicht so einfach, alle Mitglieder des Elternteams zu tolerieren. Für die Kinder aber hat das Ganze viele Vorteile, zum Beispiel, dass sie eine stabilere Umgebung haben, nicht zwischen irgendwelche Fronten geraten und verlässliche Grenzen erleben, um nur ein paar der positiven Aspekte zu nennen.
Die eigenen Stärken einzusetzen, kann zum Beispiel bedeuten, es anzuerkennen, dass ein leiblicher Elternteil, ein Insider also, Grenzen sehr viel wirksamer setzen kann als ein Stiefelternteil, ein Outsider. Andererseits können Stief-eltern, die mehr Abstand zu all dem haben, was im Leben des Kindes passiert ist, manchmal Fragen stellen und das Kind auf eine Weise trösten, wie es leibliche Eltern nicht können. Jede Elternrolle hat also ihre Vor- und Nachteile. Der Trick ist, sich der Stärken der anderen Teammitglieder bewusst zu sein und die Kontrolle ein Stück weit abzugeben, damit die anderen die Rolle übernehmen können, die einem selbst schwerfällt.

Grundregel 5:
Verluste erschweren neue Bindungen und den Aufbau liebevoller Beziehungen – darum sollten wir lernen, richtig zu trauern.
Patchworkfamilien sind aufgrund von Verlusten zustande gekommen, die im Laufe der Zeit bewältigt werden müssen. Doch weil nicht alle denselben Verlust erfahren haben, müssen Familienmitglieder lernen, gemeinsam zu trauern. Zum Beispiel könnte der Verlust, den Kate und ihre drei Kinder erlitten haben, anders sein als der Verlust, den Chris und seine beiden Töchter erlebt haben. Vielleicht waren sie aber auch ähnlich (eine Scheidung zum Beispiel) und wirkten sich nur emotional unterschiedlich stark aus (die eine Scheidung sehr konfliktreich, die andere eher freundschaftlich). Wie auch immer es war, auf jeden Fall ist es zu einem Verlust gekommen und die damit verbundene Trauer ist noch nicht abgeschlossen. Eine neue Ehe setzt der Traurigkeit und den Verletzungen nicht unbedingt ein Ende und mit Sicherheit erspart sie niemandem die großen Umwälzungen, die ein solcher Verlust mit sich bringt. Zum Beispiel ändert sich die Welt grundlegend für Kinder, die vor der Scheidung ihrer Eltern dachten, das Leben sei sicher und vorhersagbar. Jetzt wird ihnen bewusst, dass schlimme Dinge passieren können und auch tatsächlich passieren. Das wiederum erschwert für sie den Aufbau einer Beziehung zu neuen Familienmitgliedern. Kinder, die erlebt haben, dass Mama und Papa sich plötzlich nicht mehr lieben, sind sich danach nicht sicher, ob Liebe wirklich von Dauer sein kann – oder ob die neue Familie Bestand haben wird.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Trauer eine starke Unterströmung im Stieffamilien-Ozean bildet, immer knapp unter der Oberfläche alltäglicher Begebenheiten, dann sollten sowohl Eltern als auch Stiefeltern nach Möglichkeiten suchen, wie sie ihren Weg der Trauer offen miteinander teilen können. Um das Wohlergehen des Kindes und den Beziehungsaufbau in der Familie zu fördern, ist es wichtig, dass Eltern die Traurigkeit eines Kindes erkennen (»Du vermisst deine Mama heute, stimmt’s?«) und sich auf seine Trauer an besonderen Tagen, Feiertagen und wichtigen Meilensteinen des Lebens einlassen (»Ich weiß, dass es schwer für dich ist, Weihnachten ohne deine Mutter zu feiern.«). Der Kummer darf nicht verdrängt werden. Er wird nur dadurch erträglich, dass wir den Weg gemeinsam gehen.

Grundregel 6:
Geben Sie nicht zu früh auf.
Wenn es in Ihrer Patchworkfamilie hier und da an Liebe und Geborgenheit mangelt, tun Sie einfach das, was möglich ist. Werfen Sie das Gute, das Sie haben, nicht weg und reden Sie es auch nicht klein. Bauen Sie auf das, was gut funktioniert und sich sicher anfühlt, und lernen Sie es zu schätzen. Es mag nicht viel sein, aber lassen Sie dennoch nicht zu, dass die Prob- leme Ihnen die Freude verderben.
Wenn in zweiter Ehe Verheiratete sich scheiden lassen, dann tun sie das meistens lange bevor sie die ersten Früchte ihrer Bemühungen ernten konnten. Sie geben einfach zu früh auf. So haben wir es zumindest beobachtet. Es mag in Ihrer Familie etwas – oder vielleicht sogar vieles – geben, was Ihnen nicht gefällt, aber werfen Sie deshalb nicht gleich alles weg. Die Scheidungsrate in Patchworkfamilien ist um 10 bis 25 Prozent höher als bei Paaren, die in erster Ehe zusammenleben. Doch das muss nicht so sein. Wir sind überzeugt, dass Stieffamilien, die lernen, ihre Liebe richtig zu äußern, auf ihrem Weg große Fortschritte erzielen können. Dass sie in ihrer Ehe Einigkeit erleben, das Wohl ihrer Kinder fördern und den Teufelskreis der Scheidung auch für die kommenden Generationen durchbrechen können. Wenn es bei Ihnen zu Hause schwierig wird, dann halten Sie an dieser Hoffnung fest. Lernen Sie weiter und wachsen Sie. Seien Sie bereit, noch ein wenig mehr zu opfern und tiefer zu lieben. Die Beharrlichkeit wird sich auszahlen.

Grundregel 7:
Wir lernen, richtig zu lieben, wenn wir unsere Schuld ablegen und die Quelle der Liebe kennenlernen.
Stieffamilien und Schuld – anscheinend ist beides miteinander verwoben. Schuld kann auf einem aktiven Verhalten beruhen wie zum Beispiel auf einem Ehebruch, durch den eine Ehe beendet und bei den Kindern emotionale Verletzungen hinterlassen wurden; sie kann aber auch eine passive Schuld sein, die Menschen empfinden, weil sie von ihrem Expartner verlassen wurden. (Sie selbst haben zwar nicht die Entscheidung zur Trennung getroffen, haben aber den Eindruck, dass sie diese irgendwie hätten verhindern können.) Ein geistliches Scham- oder Schuldgefühl hinsichtlich einer Vergangenheit, die sich nicht ändern lässt, kann für manche Menschen ebenfalls sehr bedrückend sein, vor allem wenn sie in ihrer Religionsgemeinschaft auf ein verurteilendes Verhalten stoßen. Wegen einer Scheidung vom Abendmahl ausgeschlossen zu werden oder in der Kinderarbeit nicht mitmachen zu dürfen, vermittelt den Betroffenen ununterbrochen den Eindruck, sie seien mit einem Makel behaftet oder unwürdig. Die betreffende Person könnte dann meinen, auch Gott wolle sie auf Distanz halten.
Sich geistlich befleckt oder zweitklassig zu fühlen, hat enorme Auswirkungen auf das seelische und körperliche Wohlbefinden sowie auf die eigenen Beziehungen. Einmal kam nach dem Gottesdienst ein junger Mann auf mich (Ron) zu und stellte mir eine Frage, die mich zutiefst betroffen machte. Er erklärte, die Ehe seiner Eltern sei das Ergebnis einer Affäre, die die beiden miteinander gehabt hatten und durch die ihre jeweilige erste Ehe in die Brüche gegangen war. Zuerst wollte er wissen, ob die Ehe seiner Eltern aus der Sicht der Kirche überhaupt gültig sei, und dann fragte er mich, ob er selbst, der aus dieser Ehe hervorgegangen war, von Gott angenommen werden könne. Ich empfand tiefes Mitgefühl mit ihm und versicherte ihm, dass Gott ihn auf jeden Fall annehme und nicht als mit einem Makel behaftet oder minderwertig betrachte. Dann erklärte ich ihm, dass die Liebe Gottes nicht auf unseren Leistungen beruht, sondern uns umsonst geschenkt wird. Und um seine Frage konkret zu beantworten, fügte ich hinzu, dass Gott uns gerne vergibt, wenn wir ihm ein ungehorsames Verhalten aus der Vergangenheit bekennen (in diesem Fall das der Eltern).
Das Wissen, dass Gott uns freimacht, befreit uns dazu, seine Liebe und Vergebung auch an andere in unserer Familie weiterzugeben. Wir lernen, richtig zu lieben, wenn wir die Quelle der Liebe kennen.
In einer Patchworkfamilie gut zu leben und zu lieben, ist ein langer und oftmals beschwerlicher Weg. Doch wenn wir dabeibleiben, dann gehen wir in die richtige Richtung. Sie wünschen sich »eine gute Mischung« – und die Grundregeln, die wir soeben kennengelernt haben, sind ein erster wichtiger Schritt. Als Nächstes werden wir die fünf Sprachen der Liebe miteinander betrachten und uns fragen, wie Sie diese in Ihrer Patchworkfamilie anwenden können.


Sie sind dran

Erstellen Sie eine Liste mit allen Personen aus Ihrer Patchworkfamilie. Denken Sie dabei auch an die erweiterte Familie, zum Beispiel die Großeltern, vielleicht auch an einen leiblichen Elternteil, der nicht bei Ihnen zu Hause wohnt. Welchen Motivationsgrad zu lieben haben die verschiedenen Personen? Wie unterscheiden sich ihre Auffassungen davon, was Liebe in Ihrer Patchworkfamilie bedeutet? Und schließlich: Sprechen Sie mit jemandem darüber, welche der sieben Grundregeln der Liebe Ihre Familie sehr gut befolgt und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.